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Die Philosophie der Freiheit - 3. Folge Videokurs von Jac Hielema
Stand 28. Juni 2023: Eva hat mit viel Fleiß und Gefühl die Transkriptionen vom Videokurs mit Jac erledigt. Vielen Dank, Eva, ganz toll! Wir kommen dem Buchprojekt somit einen ganz großen Schritt näher! Mit dem nächsten Schritt werden Glossare (nicht nur Stichworte, sondern auch kurze Ausführungen von den Begriffen) für jeden Vortrag von Jac erstellt und die einzelnen Glossare werden in ein Gesamtglossar münden. BITTE MELDEN, wenn du bei dieser Arbeit MitTun möchtest. Übrigens, die Glossararbeit steht auch an für die Apokalypsevorträge von Wolfgang und für die Vorträge von Christoph Bolleßen. ... Für Weiteres bitte bei François melden. Danke! |
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«... Die Philosophie der Freiheit hat mich gerettet, hat es mir ermöglicht, mein Leben und meine seelische Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen, hat meinem Leben einen Sinn und eine Kohärenz gegeben. ...»[1]
Videokurs |
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Transkription von der 3. Folge vom Videokurs
Intro 0:00:01
Wenn man heutzutage in die Welt guckt und so viel Schlechtes sieht kann man sich fragen: „Was muss ich hier in der Welt tun? Ist es überhaupt möglich, etwas Gutes zu schaffen?" oder „Soll ich Kinder kriegen? Hat es überhaupt einen Zweck, dass junge Menschen in die Welt setze?“ Wenn man so denkt, ja, dann sind wir eigentlich wieder am Anfang, wo man denkt, auf der einen Seite hat man die Welt an sich, die läuft ab, wie viel Schlechtes ist in der Welt. Und ich? "Ich bin bloß ein Subjekt, ich kann nichts tun, ich bin ein Opfer der Welt.“ Man wird ja depressiv, wenn man so denkt. Aber dieser Gedanke, zum Beispiel, dass dein Kind, es könnte ein genialer Mensch sein, der eine Lösung hat für so viel Plastik in den Ozeanen oder einer, der hat eine Idee, wie man Energie erzeugen oder vielleicht ein Perpetuum Mobile herstellen kann. Dann würdest du, wenn du kein Kind bekommst, würdest du der Welt etwas versagen. Also sich selbst als Opfer zu fühlen und nicht als spielendes, überzeugendes, schaffendes Kind, das ist eigentlich etwas Trauriges. Die Philosophie der Freiheit hilft dir über dieses Gefühl, diese Gedanken von sich selbst als „Ich kann ja doch nichts tun“ hinauszuwachsen.
Der Bewusstseinseinschlag 0:02:44
Also wenn Bewusstsein einschlägt, dann sehen wir uns als Subjekt gegenüber der Welt als Objekt. Subjekt <-> Objekt stehen sich gegenüber. Aber andererseits haben wir das Gefühl ein Teil dieser Welt zu sein. Wir sind Teil eines Ganzen. Und diese Spannung - einerseits sehen wir uns selbst gegenüber der Welt, andererseits fühlen wir uns als Teil der Welt - das treibt uns eigentlich dazu zu verstehen „Ja, wer bin ich in der Welt? Wie kann ich mich selbst verstehen in der Welt?“ nicht nur mich selbst, sondern überhaupt „Was ist meine Beziehung zu all dem was ich wahrnehme und empfinde?“
Kapitel 2: Grundtrieb der Wissenschaft 0:03:34
Ziel des Geisteslebens ist: die Einheit wieder herzustellen!
Steiner sagt in der Philosophie der Freiheit in diesem Kapitel zwei, dass das Ziel des Geisteslebens ist, diese Einheit wieder herzustellen, immer wieder und wieder. Wissenschaft, Kunst und Religion, das sind eigentlich die drei Aspekte vom Geistesleben. Jeder auf seine Weise versucht, diese Einheit herzustellen.
Kunst 0:04:05
Wenn man anfängt mit einem Künstler, was macht ein Künstler? Der hat ein reiches Innenleben, und er versucht, sein Innenleben in der Außenwelt auszudrücken, also als Bild gemalt oder in Stein gemeißelt oder als Klang in der Musik oder als Text in Gedichten, aber auch in der Sprache, im Theater. Immer bringt man in der Kunst seine Innenwelt zum Ausdruck. Damit stellt man eigentlich wieder diese Einheit her.
Wissenschaft 0:04:40
Der Wissenschaftler macht das Gleiche, aber umgekehrt. Er fängt mit der Außenwelt an, mit allem, was man wahrnehmen kann und versucht zu verstehen, zu erklären, was man da wahrnimmt. Die Prozesse, die da ablaufen, die Entwicklungen, die man sieht, und er klärt mit Begriffen und Ideen, den Zusammenhang zu klären, so, dass die Außenwelt zu seiner Innenwelt wird. Dadurch hat man eigentlich auch diese Einheit wieder hergestellt. Natürlich kann man es nie zu Ende denken, aber es ist ein Streben danach da.
Religion 0:05:18
Eine religiöse Seele versucht diese Einheit zu fühlen, in der christlichen Religion - ob man katholisch oder evangelisch ist - im Gottesdienst ist die Kommunion der Höhepunkt und Kommunion bedeutet Einswerden. Und auch andere Religionen versuchen ja, das Göttliche in der Welt und das Göttliche im Menschen miteinander in Einklang zu bringen. Also Wissenschaft, Kunst und Religion, sozusagen das Geistesleben versucht, die Einheit, das Ganze wieder herzustellen.
Philosophie 0:06:04
Jetzt werden wir als Philosoph oder als Wissenschaftler mal sehen, auf welche verschiedene Weise man diese Einheit wieder herstellen kann. Wenn man jetzt guckt in der Geschichte der Philosophie, dann sieht man, dass diese Erfahrung - ich gegenüber der Welt, ich und die Welt - dass das viele verschiedene Begriffe bekommen hat.
Dualismus 0:06:41
Also auf der einen Seite hat man Geist, auf der anderen Seite hat man Materie, auf der einen Seite hat man Idee, auf der anderen Seite hat man Erscheinung. Aristoteles hat gesagt Substanz und Form. Und so hat eigentlich jeder Philosoph diesen Unterschied zwischen Ich und der Welt auf eine andere Weise benannt. Aber es führt immer wieder auf das Gleiche, nämlich zum Dualismus. Man erfährt zwei Welten, eine innerliche Welt, eine persönliche Welt und eine äußerliche Welt. René Descartes, ein französischer Philosoph im 17. Jahrhundert, der hat immer gesprochen von Geist und Materie, und er hat versucht, das in Einklang zu kriegen. Eigentlich hat Descartes und auch einer der großen Nachfolger von ihm, Immanuel Kant dieses Geist-Materie-Problem nicht überwunden, in dem Sinne, dass es irgendwie zu einer Einheit gekommen wäre. Sie haben letzten Endes den Schluss gezogen, dass es Dualismus gibt, dass man die zwei Welten nicht im Einklang kriegt.
Versuche der Überwindung des Dualismus - 5 Positionen 0:08:07
Also ich will jetzt gucken, philosophisch, wissenschaftlich, wie man diese Zweiheit, die wir erfahren, als Innenwelt - Außenwelt, uns selbst als Subjekt, die Außenwelt als Objekt, wie man das zu einer Einheit bringen kann.
1. Absoluter Dualismus (innen - außen) 0:08:40
In diesem Buch Philosophie der Freiheit stehen eigentlich fünf Positionen, und die Erste nenne ich - Steiner nennt sie anders - aber ich nenne die erste Position absoluten Dualismus. Das bedeutet, dass man die Innenwelt und die Außenwelt, also die Welt an sich und meine Vorstellungen der Welt, dass man sie als absolut getrennt gegenüber stehenlässt. Und obwohl man dann den Trieb hat, zu versuchen, eine Brücke zu finden, eine Einheit zu schaffen. Descartes, aber auch Immanuel Kant sind gestorben mit dem Gedanken, dass das nicht zu einer Einheit zu kriegen ist.
2. Ablehnung eines Teils 0:09:27
Später hat man, wie sagt man das, „Kurzschlüsse“ gezogen. Also auf der einen Seite hat man ja Geist, die Innenwelt, man erlebt das, man kann das erfahren, auf der anderen Seite hat man die Außenwelt, die sinnliche Welt, die Materie. Und man kann dann natürlich einfach eine von diesen beiden Erfahrungen wegschaffen.
2a Materialismus 0:09:58
Also wenn man den Geist ablehnt, dann hat man nur noch Materie. Und das sind dann die Materialisten. Unsere heutige Wissenschaft ist materialistisch. Was heißt das? Das heißt, dass man alles, was man erleben kann, versucht zu erklären durch materielle Prozesse. Also auch der größte Materialist wird sein Innenleben, was er ja erfährt, nicht verneinen, oder wie soll man das sagen, er wird nicht abstreiten, dass es da ist, weil er es ja erlebt. Aber er versucht es zu verstehen als Prozesse, als Produkt von materialistischen, also von physischen und chemischen Prozessen. Das ist der Materialist. Das Problem ist dann natürlich, dass man auch sein Ich, sich selbst als Materie, als materieller Prozess versucht zu verstehen. In Holland gibt es Neuro-Psychologen, nicht nur in Holland, in Amerika, in Deutschland bestimmt auch - aber in Holland gibt es einen Neuro-Psychologen - sein Name ist Dick Swaap und er hat ein Buch geschrieben „Ich bin mein Gehirn“ und das hat er nicht als Witz gedacht, nein, er glaubt wirklich, dass er nur sein Gehirn ist. Und mit ihm glauben heutzutage viele Wissenschaftler, dass wir eigentlich nur unsere physischen, chemischen Prozesse sind. Wir sind ein Komplex von physischen und chemischen Prozessen. Also der Trieb, den Geist abzuschaffen und alles materialistisch zu verstehen, ist, diese Einheit herzustellen. Das muss man beachten.
2b Spiritualismus 0:12:01
Auf der anderen Seite kann man auch die Materie wegdenken, dann hat man nur noch Geist. Es gibt viele Leute, die glauben, es gibt nur Geist und die ganze Erfahrung der materiellen, der sinnlichen Welt ist eine Projektion von etwas Geistigem. Ich oder Gott, der erzeugt in meinem Bewusstsein diese materielle Welt, aber in Wirklichkeit ist es nur ein geistiger Prozess. Vor allem östliche Spiritualisten glauben, dass die ganze Welt eine Illusion ist. Die Welt ist Maya, ist eigentlich Illusion, und nur der Geist ist die einzige Wirklichkeit. Das Problem ist dann natürlich: „Ja, warum muss ich dann essen? Warum muss ich schaffen in der Welt? Warum soll ich mir ein Haus bauen, wenn ich auch nur an ein Haus denken und diese Gedanken in die Welt projizieren kann?" Also die Erfahrung von einer sinnlichen Welt, die kann man nicht einfach wegschaffen. Sowohl der Materialismus als auch der Spiritualismus ist für mich jedenfalls unbefriedigend. Zwar versuchen sie die Einheit herzustellen, aber in Wirklichkeit sind diese beiden Erfahrungen Innenwelt, Außenwelt, Ich und die Welt, Geist und Materie, ja, das sind doch alles reale Erfahrungen und wie muss man die verstehen?
3. Theorienbau: Geist und Materie sind untrennbar verbunden 0:14:01
Dann kommt man eigentlich zu einer dritten Position, dass man sich Theorien erdenkt, baut, sich ausdenkt, wo Geist und Materie untrennbar verbunden sind miteinander. Ein großes Beispiel ist da natürlich diese ganze Quanten-Mechanik, wo Teilchen, also Materie sich auf der einen Seite als Materie zeigt und auf der anderen Seite sich als eine Energiewelle zeigt. Man glaubt also, dass die ganze Welt so entsteht oder die Substanz der Welt seien Elementarteilchen oder Elementarwellen, die sowohl geistig als auch materiell sind. Das Problem, was ich habe, was Steiner auch hat mit dieser Position, ist: „Wie kommt es denn - wenn Geist und Materie untrennbar ist -, dass ich als Mensch das getrennt erfahre? Wie kommt es, dass ich einerseits Geist und andererseits Materie erfahre? Einerseits innerliche Welt, andererseits sinnliche Welt?" Und da kommt man eigentlich zu der Position, die Steiner hier einnimmt.
4. Monismus (oder relativer Dualismus) 0:15:54
Er nennt das selbst Monismus. Man darf natürlich immer diskutieren - ich nenne es auch Monismus aber auch relativen Dualismus. Warum nenne ich das so? Weil in erster Instanz erfahren wir diese Welt als getrennt von uns. Wir fühlen aber, dass wir auch Teil des Ganzen sind. Wir streben nach Einheit und das Streben - darum geht es ja - ist ein Prozess. Ich bin sowohl Teil einer Innenwelt, ich kann mir innerlich Gedanken machen, ich habe Gefühle und ich gehöre zur Außenwelt. Also ich als „Ich“ gehöre diesen zwei Welten an und in meiner Arbeit - ob es nun geistige Arbeit oder andere Arbeit ist - schaffe ich ein Ganzes im Denken und im Schaffen.
Wenn ich z.B. Bäcker bin, habe ich einerseits die Idee, wie man Brot backt, andererseits habe ich Mehl und Wasser und ein bisschen Salz und ich backe Brote daraus. Das ist die Verwirklichung von Ideen. Wenn ich das Brot dann esse, ja, dann wird es wieder auseinander geholt. Aber indem ich esse, habe ich wieder die Möglichkeit, ein gutes Gespräch zu führen oder schöne Gedanken zu haben.
Und darum nenne ich das auch relativen Dualismus, weil es ist ja an mir liegt, es liegt an der Konstitution des Menschen, dass er die Welt dual erfährt - auf der eine Seite „Ich“ auf der anderen Seite „das Andere“. Und durch die Arbeit - im Schaffen - schafft er wieder Einheit. Das ist ein kontinuierlicher Prozess. Und das ist die Position, die Steiner einnimmt, die ein gesundes Denken und Fühlen des Menschen eigentlich auch einnehmen kann. Man braucht ja nicht für immer und ewig eine Antwort zu haben. Leben und Erkennen ist ein Prozess. Und in diesem Prozess erfahren wir uns am Anfang als Teil eines Ganzen, dann sehen wir uns der Welt gegenübergestellt und anschließend schaffen wir - denkend und erkennend und schaffend - wieder Einheit. Und das geht immer so weiter und immer so weiter. Das ist eigentlich der Inhalt des zweiten Kapitels: Der Grundtrieb der Wissenschaft.
Übungen / Aufgaben 0:19:05
Ich will jetzt gerne enden mit einer neuen Aufgabe. Eigentlich zwei. Die eine habe ich schon genannt:
Positionswechsel - ich gegenüber der Welt ↔ Teil eines Ganzen! 0:19:25
Also wenn man sich mit seinem Bewusstsein mehr im Kopf befindet, also nur im Kopf, dann kann man sich selbst der Welt gegenübersehen. Und das kann man dann so erfahren: „Ich gegenüber der Welt“. Aber wenn man mit seinem Bewusstsein mehr in sein Gefühl geht, ins Herz und in den ganzen Körper, dann kann man fühlen, wie man "Teil eines Ganzen" ist. Man kann regelmäßig tun, damit man diese Spannung fühlt. Einerseits sehe ich mich der Welt gegenüber, andererseits fühle ich mich als Teil der Welt. Fühle diese Spannung! Und fühle das Verlangen, Einheit herzustellen! Das ist die eine Übung!
Rückschau - Feststellung deiner eigenen Position! 0:20:23
Die andere Aufgabe Einheit herzustellen: Gucke mal zurück auf dein Leben, gucke mal, wie du erzogen worden bist, religiös oder weniger religiös, in der Schule, wissenschaftlich oder weniger wissenschaftlich. Und gucke mal, was du eigentlich für real hältst. Ist es nur die sinnliche Welt oder auch deine innerliche Welt? Und wie verhalten die zwei sich zusammen? Also erlebe deine eigenen Neigungen, mehr materialistisch zu sein, zu denken, zu handeln oder mehr spiritualistisch zu sein und zu denken und zu handeln. Oder hast du viele Bücher gelesen von Fritjof Capra zum Beispiel mit diesen Theorien, wo Geist und Materie immer zusammen sind? Vielleicht denkst du auch mehr absolut dualistisch. Man kann auch sagen existenzialistisch, also dass man sich der Welt gegenüber fühlt und sieht und keinen Zugang - also keine Möglichkeit, das mit mir, miteinander zu vereinigen. Also fühle, spüre, erlebe deine eigene Position! Jede Position ist gut!
Schlusswort 0:22:03
Ja, liebe Zuschauer, liebe Freunde der Philosophie der Freiheit. Im nächsten Modul werden wir dann endlich wirklich erforschen, wie die Gedanken überhaupt in uns gebildet werden oder entstehen. Und für heute danke ich euch.
Zeichnung zu Übung 1
Zeichnung zu Übung Positionswechsel: 1. Position: Man befindet sich im Kopf, dann entsteht die Situation, dass man sich selbst als Subjekt (Figur „ich“) der Welt als Objekt (Baum) gegenüberstellt. 2. Position: Man lenkt das Bewusstsein ins Herz und in den Körper, dann empfindet man sich als der Welt zugehörig, verbunden, als Ganzes (Kreis). Und diese Spannung zwischen einerseits sich selbst, der Welt gegenüberzustehen zu sehen und andererseits sich selbst und das Andere als Einheit zu fühlen, zu erfahren, führt dazu, dass man versucht zu verstehen, wie das eine mit den anderen - also wie ich mit der Welt zusammenhänge. Man versucht, Erklärungen zu finden.
Bonusmaterial 0:25:29
Liebe Menschen, heute fangen wir an mit Modul drei und wir behandeln das zweite Kapitel in Rudolf Steiners Philosophie der Freiheit. Der Grundtrieb zur Wissenschaft. Warum, wollen wir wissen!
Methode Jac Hielema 0:25:47
Zuvor noch zur Methode, die ich verwende. Ich bin unglaublich dankbar, dass Steiner damals diese Philosophie der Freiheit geschrieben hat. Wenn er das nicht getan hätte, wenn ich sie nicht gefunden hätte, dann würde ich jetzt immer noch mit vielen, vielen Fragen herumlaufen und wüsste jetzt immer noch nicht, wie ich befriedigende Antworten finden könnte. Er hat sie geschrieben und er hat sie auf eine sehr bestimmte Weise geschrieben, eigentlich auf eine sehr persönliche Weise. Er hat sich selbst gefragt, "wie erkennt der Mensch?" und "ist er überhaupt frei"? "Hat er einen freien Willen?" Also diese Fragen hat er für sich erforscht, auf seine Weise.
Was ich in diesen Filmen tue, ist, was er macht, ganz mit Respekt, wie Steiner es hat gemacht hat - herunter brechen und auf mich selbst beziehen - also "wie erkenne ich?" "Habe ich einen freien Willen?" - und baue es dann auf meine Weise wieder auf. In diesen Modulen kann man sehen, wie ich eigentlich Steiners Text herunter breche und ihn auf meine Weise wieder aufbaue. Ich hoffe aber, dass das für euch eine Einladung ist, das auch wiederum herunter zu brechen. Entweder ihr lest Steiners Text, seid dankbar für seinen Text und brecht ihn herunter und baut ihn wieder auf, auf eure Weise oder wie ich es tue und wieder aufbaue, brecht es herunter und baut es wieder auf, so dass es ganz und gar etwas von euch selbst wird, dass es etwas ist, was ihr gesehen habt, wie man es herunter bricht und wieder aufbaut. Das wollte ich am Anfang noch mal betonen. Gehen wir also weiter.
Kapitel 2 Grundtrieb zur Wissenschaft 0:28:31
In Modul zwei haben wir geendet mit der Frage nach den Motiven „Warum tu ich, was ich tue?“ Ich habe euch gebeten, zwei, dreimal am Tag einzuhalten und darauf zu achten: „Ja, was tue ich eigentlich? Und warum tue ich, was ich tue?“ damit ihr euch bewusst werdet, aufgrund welcher Motive ihr handelt. Die Motive - die immer in Form eines Gedankens sind - sind der Grund, sind die Ursache fürs Handeln, für das, was wir tun. Die Frage ist nun wie kommen diese Motive, wenn wir sie uns bewusst machen - also, wenn wir sie uns nicht bewusst machen, dann sind wir ja sowieso nicht frei, dann werden wir irgendwie angetrieben. Unser Handeln wird dann getrieben durch etwas außer uns. Aber wenn wir uns die Motive bewusst machen, dann kommt die Frage: „Wie kommen diese Motive in uns eigentlich zustande?“ Also das ist die Frage, die wir weiter erforschen wollen.
"Wie kommen die Motive zustande? Ist es wie Hunger, der in uns entsteht?" Dann müssen wir essen. "Oder ist es auf eine andere Weise, wie die Motive in uns zustande kommen? Sind wir es selbst, die irgendwie die Motive schaffen? Oder ist es etwas Fremdes?" Es könnte ein Gott sein. Es könnten physische und materielle Prozesse sein, die diese Motive in uns erzeugen. Das ist, was wir erforschen wollen. Damit fangen wir im nächsten Modul an. Jetzt in diesem Modul - Kapitel zwei Der Grundtrieb der Wissenschaft - erforschen wir die Motive überhaupt - Warum wollen wir wissen? Wenn wir durch die Welt gehen, dann ist uns sehr viel gegeben. Wenn wir durch die Natur laufen, dann sieht man Bäume, Gras, Tiere, Vögel, man hört den Wind, man sieht die Sonne, die Wolken in der Luft. Und irgendwie sind wir nicht zufrieden mit dieser Wahrnehmung. Also wir sind nicht nur zufrieden mit dieser Wahrnehmung, wir stellen uns Fragen: "Wie entstehen die Bäume? Wie wachsen Bäume? Was für Wolken sind in der Luft? Warum kommen und gehen die Wolken immer wieder?" Die Sonne geht jeden Tag auf oder macht einen Bogen. "Wie können wir alles verstehen, was wir sehen?" Wir müssen aktiv werden, wenn wir Antworten finden wollen. Wir müssen innerlich aktiv werden. "Warum ist es nicht so, dass wir einfach alles, was wir wahrnehmen - die Welt so wie es ist, wir so wie wir sind - warum können wir das nicht als gegeben, als etwas Gegebenes akzeptieren?"
Persönliche Geschichte zum Bewusstseinseinschlag 0:32:04
Ich will jetzt eine Geschichte erzählen von meinem Sohn, also vor 20 Jahren. Mein Sohn war zwei Jahre alt, zweieinhalb Jahre vielleicht schon. Dann haben wir morgens uns vorgenommen, den Sonnenaufgang zu beobachten. Wir sind sehr früh aufgestanden, zusammen, mein Sohn und ich, und ich habe ihn auf meine Schultern genommen und wir sind hinausgelaufen. Wir wollten ein bisschen spazieren gehen zum Meer, so dass wir den Sonnenaufgang gut sehen konnten. Ich hatte ihn auf meinen Schultern. Er hatte seinen Daumen im Mund, und ich fühlte, ich muss jetzt still sein, es passiert jetzt etwas. Und ja, es passierte etwas. Mein Sohn nahm seinen Daumen aus dem Mund und sagte: „Ich weiß es, Vater. Ich bin nicht die Sonne. Ich bin ich!“ Also, das war ein sehr besonderer Moment. Denn was passierte da? Eine neue Art von Bewusstsein schlug in ihn ein! In diesem Moment wurde er sich bewusst von sich selbst und gleichzeitig wurde er sich bewusst von der Welt, von der Sonne. „Ich weiß es, Vater. Ich bin nicht die Sonne. Ich bin ich!" Also stellt euch mal vor, gerade davor hat er sich noch mit der Sonne identifiziert. Er war die Sonne! Er war die Erde! Er war alles, was er wahrnahm! Und dann nahm er sich plötzlich selbst wahr, als ein Selbst und das andere als etwas anderes.
Der Bewusstseinseinschlag im einzelnen Menschenleben 0:34:13
Wenn man zurückgeht in eigene Erinnerungen, dann kann man solche Momente - nicht so krass vielleicht wie bei meinem Sohn - auch erleben. Also das Bewusstsein schlägt ein! Das ist ein Moment im zweiten, dritten Lebensjahr, wo man sich selbst der Welt gegenübersieht. Also man sieht sich selbst und man sieht das andere, die ganze Welt. Wissenschaftlich oder philosophisch sagen wir, wir werden uns bewusst als Subjekt, als erkennendes Subjekt und wir werden uns bewusst von dem anderen als das zu erkennende Objekt, Subjekt und Objekt.
Als Kind denkt man nicht in Subjekt-Objekt, aber wissenschaftlich und philosophisch denkt man in Subjekt und Objekt. Aber das ist nicht nur das Eine. Es ist nicht so, dass man sich nur gegenüber der Welt sieht. Es ist auch so, dass man eigentlich immer noch fühlt, dass man Teil des Ganzen ist, dass man teilnimmt in der Welt. Und das liefert eine Spannung in uns, bewusst oder weniger bewusst. Also auf der einen Seite sehen wir uns der Welt gegenübergestellt und andererseits fühlen wir uns als Teil der Welt. Und diese Spannung, dieses Gefühl treibt uns, immer wieder Fragen zu stellen: "Warum bin ich denn ich und warum bist du du? Warum scheint die Sonne? Warum ist der Mond in einem Moment voll und im anderen Moment nur halb? Warum sind die Bäume blattlos und ein halbes Jahr später voller grüner Blätter?" Also alle diese Fragen, die wir uns stellen. "Woher kommt das?" Weil wir uns selbst als erkennendes Subjekt der Welt gegenüberstellen. Aber gleichzeitig, ja, leben wir, entwickeln wir uns in der Welt mit der Welt als Teil der Welt. Diese Spannung treibt uns immer wieder zu versuchen, das Ganze - wo wir rausgefallen sind durch dieses Bewusstsein ich und die Welt - wieder herzustellen.
Wenn dieses Bewusstsein einschlägt, dann sieht man sich selbst gegenüber der Welt. Als Kind ist das etwas ganz Neues. „Mensch, ich bin ich. Ich bin nicht die Sonne. Aber woher komme ich? Und wie kommt es, dass die Sonne jeden Tag wieder aufgeht und scheint und so viel Licht ausbreitet? Ist das ein großes Feuer? Aber was verbrennt da dann? Wird es jemals fertig sein oder so?" Alle diese Fragen. Als Kind hat man diese Fragen. Als Erwachsener kann es sein, dass man alles einfach hinnimmt.
"Warum hat das Kind noch so frisch diese Fragen?" Weil es gerade aus diesem Ganzen, wo es sich noch eins gefühlt hat mit dem Ganzen, herausgefallen ist. Wir müssen uns das Gefühl - wir sind doch auch noch Teil der Welt, wir sind nicht nur Subjekt gegenüber der Welt als Objekt, wir sind auch noch Teil der Welt - das Gefühl müssen wir uns erstmal wieder richtig bewusst machen. Und wenn wir uns das bewusst machen, ist es einfach zu üben. Man kann das jeden Moment. Manchmal fahre ich auf meinem Fahrrad und dann muss ich an der Ampel anhalten und dann stehe ich da, dann versuche ich mir bewusst zu werden, „ich bin Teil der Welt“! Ich gehe einfach mit meiner Aufmerksamkeit in meinen Körper und als physischer Organismus bin ich ja Teil der physisch-sinnlichen Welt. Und dann erst fühlt man auch diese Spannung zwischen „einerseits sich selbst gegenüber der Welt zu sehen“ und „das Gefühl, dass man Teil dieser Welt ist“.
Dann kommen die Fragen auch wieder. Also die Fragen, die man ja, wenn man erwachsen wird, vergisst zu stellen. Man muss eigentlich als Erwachsener möglichst viele Fragen stellen. Ich glaube eigentlich, dass es noch mehr Gründe gibt, dass man nicht mehr so viele Fragen stellt, weil kindlich frische Fragen werden ja oft lächerlich gemacht, oder die werden ja oft ein bisschen weg gelacht. Und wenn man das als Kind zu oft miterlebt, dann hört man auf, sich Fragen zu stellen. Aber wenn man sich entwickeln will, wenn man weiterkommen will, dann muss man diese Fragen stellen.
Zur Übung => Ich sage oft im tiefsten Wesen kann der Mensch als Ich, als Wesen eigentlich nur zwei Dinge. Das eine ist Entschlüsse/Beschlüsse fassen - Ich beschließe, dass ich jetzt im Bett bleibe oder aufstehe oder fortan keinen Kaffee mehr trinke. Das ist das eine, was der Mensch tun kann. Und das andere ist sich Fragen stellen. Wenn er keine Fragen stellt, dann hört die Entwicklung auf. Dann kann er sich nicht mehr öffnen für die Welt, so wie sie ist oder das Neue, was immer wieder hineinkommt.
Schlusssatz 0:41:05
Also ich bitte euch diese Spannung, das Gefühl - ich bin Teil der Welt - gegenüber - ich sehe mich selbst als Subjekt der Welt als Objekt gegenüber - stärker zu machen, einfach durch zwei, dreimal im Tag sich still zu stellen und mal richtig zu fühlen „Ja, aber ich bin auch Teil der Welt!"
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Glossar
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B BEWUSSTSEIN
BILD
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C |
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D DUALISMUS
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E EINHEIT
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M MATERIALISMUS
METHODE
MONISMUS
MOTIV
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N |
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P |
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S SPIRITUALISMUS
SUBJEKT - OBJEKT
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U ÜBAUFGABE
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Einzelnachweise
- ↑ Ausschnitt aus einem Zitat von Jac Hielema vom 25. März 2023, welches als Testimonial zur GA 4 gemeint war